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Dec 20, 2023

Lothars Langstrecke: Porsche-Modelle im Maßstab 1:5

Mindestens 500 Stunden benötigt Lothar Wünsche für die Fertigstellung eines Porsche-Modells im Maßstab 1:5. Seine wichtigsten Werkzeuge sind eine Stichsäge, eine Bohrmaschine und ein unglaubliches Improvisationstalent.

Stellen Sie sich vor: Es ist 1978 und Sie sind ein Porsche-Fan und leben in Ostdeutschland, im Lausitzer Bergland am Dreiländereck, nahe Polen und der Tschechoslowakei. Und du magst Rennautos. Dann sind Sie damit in etwa so weit von Ihren Träumen entfernt wie Porsche in den 1950er-Jahren von einem Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Dennoch können Träume wahr werden. Der Gesamtsieg in Le Mans gelang Zuffenhausen bekanntlich erst 1970. Und auch der Traum von Lothar Wünsche, einem echten Porsche-Rennwagen gegenüberzutreten, blieb nicht unerfüllt. Denn bereits 1978 gab es in der Tvrzova 5 in Most, im heutigen Tschechien, eine Rennstrecke. Für Lothar Wünsche war der Weg dorthin etwas über 120 Kilometer lang, ein für ihn überschaubarer Grenzübertritt inklusive.

Zwei Dinge, die der heute 78-Jährige schon damals in Hülle und Fülle besaß: Improvisationstalent und Geduld. Er bekräftigt diese letztgenannte Eigenschaft: „Wir hatten gelernt, zu warten. Auf einen Trabant müsste man 12 Jahre warten!“ Als am 12. August 1978 in Most die Interserie ausgetragen wurde, verbrachte Lothar Wünsche nicht nur seine Zeit damit, über die Tribünen zu schlendern. „Ich hatte beschlossen, nicht schüchtern zu sein! So lernte ich zufällig Jürgen Barth kennen, der damals bei Porsche für den Kundensport zuständig war. So hat alles angefangen.“

Der ostdeutsche Fan wurde herzlich empfangen und es sollte nicht seine letzte Begegnung mit dem Motorsport aus Zuffenhausen gewesen sein. Man kann es heute kaum glauben, aber 1978 standen in Most Rennwagen wie der Lola T286, der McLaren M8, der Porsche 908, der Sauber C5, der Chevron B31 und viele andere am Start. Der Gewinner war übrigens der weltberühmte TOJ SC302, pilotiert von Norbert Przybilla für den AC Mayen aus Deutschland.

Einen ganz anderen Sieg feierte Lothar Wünsche 1978: Er kam seinem Traum-Porsche ganz nah und lernte sogar die Menschen aus dem Rennstall dahinter kennen. Von diesem Moment an konzentrierte er sich voll und ganz auf Porsche-Modelle. Was in Ostdeutschland natürlich selten war. So tauschte er Gegenstände, die er als wertvoll erachtete, immer wieder gegen andere aus, bis er irgendwann ein Modell eines Porsche in die Hände bekam. Zum Beispiel ein Tamiya-Bausatz des Porsche 935 im Tausch gegen, sagen wir, sechs Flaschen starken Wodka.

Doch 2007 kam der radikale Schritt: „Ich wollte keine Vitrine mit Dingen, die auch andere Leute hatten, also beschloss ich, eigene Modelle im gleichen Maßstab 1:5 zu bauen, den Porsche selbst für seine Windkanalmodelle verwendete.“ .“ Wünsche hat bis heute mehr als 20 dieser „Riesenminiaturen“ gebaut. Alles völlig aus eigener Initiative. Beim Betreten seiner Werkstatt kann man kaum glauben, dass hier diese aus bis zu 1.600 Teilen bestehenden Wunderwerke entstehen. Wünsche, ein gelernter Schlosser, der viele Jahre lang Aufzüge montiert hat, sagt: „Eine Säulenbohrmaschine, eine Dremel-Minibohrmaschine und meine Stichsäge. Das ist ungefähr alles, was ich brauche.“

Die Flotte von Wünsche im Maßstab 1:5 ist atemberaubend. Der älteste Porsche, der als eines seiner Modelle geschaffen wurde, ist der 550/1500 – das RS-Coupé mit der Nummer 25 von 1956, das in Le Mans den fünften Platz belegte. Ebenfalls in schimmerndem Silber vertreten ist der Porsche 904/6 mit der Nummer 32, mit dem Herbert Linge und Peter Nöcker auf derselben Strecke den vierten Platz belegten. Es folgen: der Le Mans Carrera 906 mit der Nummer 58, Siebter im Rennen 1966; das Langheckmodell 908/02 mit der Nummer 27 von 1970, Dritter beim Rennen in La Sarthe; und das weltberühmte Kameraauto, ein 908/02 in Blau, der die Startnummer 29 trug. Dieses letzte Auto drehte Szenen für den Hollywood-Film Le Mans mit Steve McQueen. Dieses Modell im Maßstab 1:5 ist das detaillierteste und enthält mehr als 1.600 Teile und sogar eine zu öffnende hintere Motorabdeckung.

Die Startaufstellung der 917-Modelle ist groß. Neben Herrmanns und Attwoods Siegerauto Nummer 23 aus Le Mans 1970 hat Wünsche auch eine Miniatur des zweitplatzierten Langhecks Nummer 3 (Langheck) aus demselben Rennen gebaut. Zu sehen sind auch der Vortest-Langheck Nr. 21 von 1970 sowie der verunfallte 917/20, das Pink Pig von 1971. Weitere Le-Mans-Teilnehmer sind der Porsche 944 LM GTR Nummer Eins von 1981, die Nummer 43 935/ 78, der TWR-Porsche WSC 95, der 1996 siegte, und der Porsche 936/77, der 1977 siegte. Aus der CanAm-Serie gibt es den 917/10 mit der Nummer 7 (Gesamtsieger 1972 mit George Follmer) und den 917/30 (Gesamtsieger 1973 mit Mark Donohue).

Demnächst wird John Woolfes weißer 917-Langheck fertiggestellt. Auch ein anderes Projekt ist bereits weit fortgeschritten. Wünsche zeigte uns das fertige Chassis: „Darin sind rund 20 Meter Kunststoffrohr drin.“ Vielleicht die Basis für ein Modell des langjährigen Le-Mans-Streckenrekordhalters und Siegers von 1971: der Martini-Porsche von Helmut Marko und Gijs van Lennep? Das Lächeln von Wünsche sagt alles! Wir haben ihn schon ein wenig kennengelernt.

Der Hersteller dieser hochwertigen Modelle erstellt die Körperformen in Eigenregie in der Negativ-Positiv-Technik – einem Bausystem für Rahmen, die er mit einem Spezialkunststoff füllt und anschließend schleift, bis die Oberflächen perfekt sind. Während er alle Teile, sogar die Räder, selbst herstellt, bekommt Wünsche Hilfe bei der Dekoration. „Das ist einfach nicht mein Ding. Steffen, ein lokaler Karosseriemaler, trägt die Farbe perfekt auf und Elisabeth, eine Werbegrafikerin, fertigt die Abziehbilder für die Dekoration an, die ich dann anbringe.“ Auch Wünsche braucht ein Team – allein hätte er keine seiner Miniaturen im Maßstab 1:5 bauen können.

Auch ein weiterer Traum von Wünschen ging in Erfüllung: Erwin Kremer vom gleichnamigen Rennstall bei seinen zahlreichen Besuchen an der Rennstrecke kennenzulernen: „Für Kremer war ich oft in Le Mans“, erzählt er uns, „als Reifenmonteur.“ Und das ist nicht alles. In der Garage von Wünsche steht ab sofort ein Porsche Cayman GTS 4.0 (718 Cayman GTS 4.0: Kraftstoffverbrauch* kombiniert (WLTP) 10,9 – 10,1 l/100 km, CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 247 – 230 g/km) in leuchtendem Rot . Wünsche: „Schaltgetriebe natürlich: Für mich gibt es keine Diskussion.“

Ein genauerer Blick auf das Modell des Filmwagens 908.022 zeigt, wie naturgetreu die Arbeit von Lothar Wünsche ist. Im blauen Auto mit der Nummer 29 in Le Mans 1970 setzten Herbert Linge und Jonathan Williams drei Arriflex-Kameras ein, um die fantastischen Rennszenen für den „Le Mans“-Film mit Steve McQueen aufzunehmen. Ein kleines cremefarbenes Kästchen, rechts im Bereich der Tür, ist das erste Geheimnis im Maßstab 1:5. Wünsche der Experte: „Damit wurden die Kameras gesteuert. Ich habe sogar den Originalschriftzug darauf angebracht.“

Als uns der Experte Details im Heck des Autos zeigt, die unter der aufklappbaren Motorabdeckung verborgen sind, beginnt er erneut zu plaudern: „Aufgrund der beiden Arriflexe hatte das Kameraauto einen modifizierten Heckrahmen. Für die Kameras habe ich Art und Maße an einer Filmhochschule recherchiert.“ Das war nicht so einfach. Hintergrund: Da es sich um Prototypenkameras von Arriflex handelte, die 1970 noch ein streng gehütetes Geheimnis waren, durften keine Fotos gemacht werden, während der Film in die Schachtel eingelegt wurde. Bei der Auseinandersetzung mit solchen Details legt Lothar Wünsche mitunter einen Instinkt an den Tag, der an Sherlock Holmes erinnert.

Der Traum und sein Hobby haben Wünsche sehr glücklich gemacht, und das weiß er zu schätzen: „Ich habe so viele interessante, nette, liebenswerte, verrückte Menschen kennengelernt, die mir geholfen haben. Das ist fast eine bessere Sache als meine Armada an Modellen im Maßstab 1:5 in meiner heimischen Vitrine.“ Ein Mann, der weiß, worauf es ankommt.

Text erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift Porsche Klassik 28.

Autor: Andreas A. Berse

Fotos: Markus Bolsinger

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